Miniatur-Lunge ersetzt Tierversuche und treibt personalisierte Medizin voran
Das Berner Jungunternehmen AlveoliX wurde heute mit dem Swiss Medtech Award, dem begehrten Innovationspreis der Schweizer Medizintechnikindustrie im Wert von 75’000 Franken, für seine «Lunge-auf-Chip» Technologie ausgezeichnet. Dr. Nina Hobi und Dr. Janick Stucki, Co-CEOs von AlveoliX, und ihr Team haben die Funktionsweise der menschlichen Lunge im kleinen Massstab nachgebaut. Das Lung-on-Chip Modell simuliert die Mikroumgebung der Lunge einschliesslich Atembewegung. Die dünne, poröse Membran ermöglicht die Kultivierung von menschlichen Lungenzellen unter äusserst physiologischen Bedingungen. In dieser natürlichen Umgebung reagieren die Zellen so, wie sie es im menschlichen Körper tun würden. «Dank unserer Technologie wird die Arzneimittelentwicklung effizienter, sicherer und auch personalisierter, da die Tests mit Zellen eines bestimmten Patienten auf dem Chip durchgeführt werden können. In Zukunft hilft unsere Technologie, die Kosten und die Zahl der Tierversuche zu senken», beschreibt Janick Stucki das Ziel des Jungunternehmens. «Wir arbeiten bereits mit grossen Pharmaunternehmen zusammen, die unsere Technologie nutzen, um ihre sich in der Entwicklung befindenden Medikamente zu testen. Wir vergleichen die Ergebnisse unseres Chips mit bestehenden Daten aus präklinischen und klinischen Studien», konkretisiert Nina Hobi einen wichtigen Schritt von AlveoliX in Richtung Produktvermarktung.
Peter Biedermann, Direktor von Swiss Medtech, ist nebst der erfinderischen Leistung beeindruckt, mit welcher unternehmerischen Klarheit die Firma den Durchbruch zur Vermarktung ihrer Technologie anpeilt. «In der Schweiz scheitern findige Ideen leider viel zu oft auf dem Weg vom Prototyp zum marktreifen Produkt. Beim Überwinden dieses Translation-Gap muss unser Land besser werden. Dazu braucht es nicht mehr Fördergelder, vielmehr müssen die vorhandenen Mittel gezielter auf Innovationsprojekte mit dem grössten Marktpotenzial umgeschichtet und auch direkt an Unternehmen ausbezahlt werden», beschreibt Peter Biedermann ein Ziel, für das sich der Verband auf politischer Ebene einsetzt. Für Jury Präsident Prof. Mirko Meboldt, ETH Zürich, hat AlveoliX mit seinem interdisziplinären Team ein Produkt geschaffen, «das neue Massstäbe in der Arzneimittelentwicklung setzt und das Potenzial hat, Wegbereiterin für die personalisierte Medizin zu werden».
Die Jury und das Publikum würdigten auch die Spitzenleistungen der beiden anderen Finalisten. Die Biospectal SA schaffte es mit einer Smartphone-Anwendung zur Blutdruckmessung und die Healios AG mit einer Smartphone-Technologie zur Überwachung neurologischer Funktionen von Multiple Sklerose Patienten ins Schlussrennen.
Trümpfe nicht aus der Hand geben
Bundesrat Guy Parmelin, Redner am Swiss Medtech Day, unterstrich als Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die grosse Bedeutung der Medtech-Branche in der Schweiz: «Die rund 1’400 Unternehmen mit 63’000 Mitarbeitenden erwirtschafteten 2019 einen Umsatz von 18 Milliarden Franken, 12 Milliarden davon im Export». Der Grund dafür sei klar: «Die Medtech-Industrie findet in der Schweiz gute und verlässliche Rahmenbedingungen vor, namentlich hochqualifizierte Fachkräfte, eine hohe Konzentration von Forschung und Innovation sowie Zugang zu einem hochentwickelten Kapitalmarkt». Ihm sei bewusst, dass sich die Wirtschaftslage durch den Krieg in der Ukraine und zuvor schon durch die Covid-Krise deutlich verschlechtert habe. Für die Branche zusätzlich erschwerend sei der Entscheid der Europäischen Union (EU), mit der Schweiz das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) nicht zu aktualisieren. «Der Bundesrat ist sich der zusätzlichen Belastungen für die Medtech-Industrie bewusst. Die Unternehmen waren jedoch gut vorbereitet. Sie haben rasch reagiert und die notwendigen Massnahmen zur Schadensbegrenzung ergriffen», zeigte sich der Wirtschafts- und Bildungsminister beeindruckt. Auch dem Fachkräftemangel begegne der Bundesrat mit grösster Aufmerksamkeit und den verschiedensten Förderprogrammen.
Über den Swiss Medtech Award und den Swiss Medtech Day
2018 hat Swiss Medtech den Swiss Medtech Award ins Leben gerufen. Der mit 75’000 Franken dotierte – von der Lichtsteiner Stiftung, der Sonova Gruppe, der Straumann Gruppe und von Ypsomed gesponserte – Preis zeichnet herausragende Leistungen der Schweizer Medizintechnikindustrie aus. Unter dem Vorsitz von Prof. Mirko Meboldt, ETH Zürich, bewertet die Jury die Kandidaturen nach den Kriterien Patientennutzen, Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und technologischer Pioniergeist. Das Gewinnerteam wird jeweils am Swiss Medtech Day bekannt gegeben. Partner der Grossveranstaltung sind Innosuisse, die Schweizer Agentur für Innovationsforschung und konplan systemhaus ag. Hauptsponsoren des Swiss Medtech Day sind be-advanced AG, Dassault Systèmes, Helbling Technik und Zühlke.
Swiss Medtech vertritt als Branchenverband der Schweizer Medizintechnik rund 800 Mitglieder. Mit 71’700 Beschäftigten und einem Beitrag von 11,9 Prozent zur positiven Handelsbilanz der Schweiz ist die Medizintechnik eine volkswirtschaftlich bedeutende Branche. Swiss Medtech tritt ein für ein Umfeld, in welchem die Medizintechnik Spitzenleistungen zugunsten einer erstklassigen medizinischen Versorgung erbringen kann.