Medikamentenpreise. Vergütung von im Ausland gekauften günstigen Medikamenten oder Hilfsmitteln durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung nach KVG, um die Preise und Kosten zu senken
Worum geht es?
Die Motion verlangt eine Anpassung des KVG, sodass Arznei- und Hilfsmittel, die von Patientinnen und Patienten persönlich im Ausland bezogen werden, durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet werden können. Dabei sollen die folgenden Voraussetzung gegeben sein: Das bezogene Medikament oder Hilfsmittel muss in der Schweiz zugelassen und von einer hierzulande praktizierenden Ärztin oder einem Arzt verordnet worden sein. Zudem muss das im Ausland bezogene Produkt günstiger sein als das Äquivalent in der Schweiz.
Hintergrund der Motion sind die steigenden Gesundheitskosten und Prämien in der OKP. Das durchschnittliche Preisniveau im Ausland ist tiefer, weshalb der Bezug von Arznei- und Hilfsmitteln dort statt in der Schweiz einen dämpfenden Effekt auf das Kostenwachstum in der OKP haben soll.
Unsere Position
Swiss Medtech anerkennt die hohe Belastung der Bevölkerung, die mit den steigenden Prämien in der OKP einhergeht, und unterstützt sinnvolle Massnahmen zur Kostenreduktion. Dabei müssen die WZW-Kriterien und rechtsstaatliche Grundsätze berücksichtigt – und vor allem dürfen die Behandlungsqualität und Patientensicherheit nicht beeinträchtigt werden. Zudem müssen solche Massnahmen nachhaltig, praktikabel und grundsätzlich technisch umsetzbar sein.
Swiss Medtech lehnt die Motion in der vorliegenden Form ab, da sie diesen Ansprüchen insbesondere im Bereich der Hilfsmittel (Medizinprodukte) nicht gerecht wird. Wir begrüssen, dass sowohl der Bundesrat als auch der Motionär gemäss Debatte im Nationalrat vom 14. März 2024 eine Einschränkung auf wenige Positionen der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) vorsehen. Dies ist richtig, greift allerdings aus Sicht der Medtech-Branche zu kurz. Die meisten der vermeintlich «unproblematischen» Produkte sind es bei genauerer Betrachtung nicht. Entsprechend müssen die Kriterien geschärft werden, sodass den Patientinnen und Patienten kein Nachteil entsteht. Zudem müssen die Versicherten auch vor Selbstkosten geschützt werden, die aufgrund unklarer «Preis»-Vergleiche anfallen könnten.
Um Behandlungsqualität und Patientensicherheit zu gewährleisten, müssten ausländische Abgabestellen die gleichen rechtlichen Anforderungen erfüllen wie Schweizer Abgabestellen (z.B. Art. 55 KVV). Es ist daher fraglich, ob die Motion im Falle einer Annahme überhaupt umsetzbar wäre. Derweil ist ungewiss, ob ein Einsparpotenzial im Bereich der Hilfsmittel vorliegt. Die Mehrkosten für den höheren administrativen Aufwand könnten Einsparungen gar übersteigen.
Argumente
Behandlungsqualität und Patientensicherheit priorisieren
Bei Reformen des Gesundheitswesens wird allzu oft auf die Kosten fokussiert, die Behandlungsqualität und der Patientennutzen entlang des Behandlungspfads kommen an zweiter Stelle. Dabei sollten diese absolut erste Priorität haben. Vor diesem Hintergrund begrüssen wir, dass der Bundesrat wie auch der Motionär in der Umsetzung eine Einschränkung auf wenige «unproblematische» MiGeL-Positionen vorsieht. Diese Einschränkung geht aus unserer Sicht allerdings noch zu wenig weit. So werden z.B. ca. 45% der Stoma-Platten zur Versorgung eines künstlichen Darmausgangs durch die Abgabestelle auf die patientenindividuelle Stomagrösse zugeschnitten. Es stellt sich daher die Frage, wie die Behandlungsqualität beim Bezug im Ausland sichergestellt werden kann. Bei Injektionshilfen, welche vom Bundesrat[1] ebenfalls als unproblematisch angesehen werden, handelt es sich nicht um eine Mono-Therapie. Die versicherte Person ist auf Medikamente angewiesen. Ein Bezug der Arznei und der Injektionshilfen bei verschiedenen Stellen ist wenig sinnvoll.
Versicherte vor Selbstkosten schützen
Die Motion sieht eine Vergütung vor, sofern das im Ausland gekaufte Produkt günstiger ist als bei einem Bezug in der Schweiz. Hier stellt sich die zentrale Frage, welche Preise miteinander verglichen werden sollen, da weder in der Schweiz noch im Ausland ein Amtstarif für Hilfsmittel besteht. Die Preise unterliegen dem freien Wettbewerb und können entsprechend variieren. Soll daher der Höchstvergütungsbetrag herbeigezogen werden? Wie werden Zollgebühren, die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze und die grundsätzlich höheren Kosten in der Schweiz berücksichtigt? Bei all diesen Unwägbarkeiten wird es für Patientinnen und Patienten fast unmöglich sein, abzuschätzen, ob ein im Ausland gekauftes Produkt tatsächlich vollumfänglich vergütet wird. Fehleinschätzungen können zu erheblichen Selbstkosten für die Versicherten führen, was es zu vermeiden gilt.
Rechtsgleichheit der Abgabestellen sicherstellen
Zur Sicherstellung von Behandlungsqualität und Patientensicherheit müssen Schweizer Abgabestellen einige rechtliche Anforderungen erfüllen. So braucht es u.a. zwingend eine kantonale Zulassung und einen sogenannten Abgabevertrag (Art. 55 KVV) mit allen betroffenen Krankenversicherern, um Leistungen zu Lasten der OKP erbringen zu dürfen. Darin sind Administration, Leistungen (bei Medizingeräten z.B. Wartung, technischer Support, etc.) und Qualität geregelt. Ausländische Verkaufsstellen müssten, auch gemäss dem Gebot der Gleichheit vor dem Recht (Art. 1 Abs. 3 Bst. c HMG), die gleichen Auflagen erfüllen, um Qualität und Sicherheit zu garantieren. Da dies aber kaum durchsetzbar ist, würden eine Ungleichbehandlung der Abgabestellen sowie Einbussen in der Versorgungsqualität resultieren.
Administrative Mehrkosten und mögliche Einsparungen gegenüberstellen
Schweizer Abgabestellen und Apotheken ebenso wie die Krankenversicherer investieren viel in eine reibungslose Abwicklung der Rechnungsstellung. So wurden klare Abläufe und Standards definiert, um die mehrheitlich elektronische Abrechnung der Mittel und Gegenstände zu vereinheitlichen und die administrative Belastung zu verringern (Stichworte: Forum Datenaustausch, XML-Standard). Das Gros der Abrechnungen erfolgt dabei digital, direkt zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern. Die MiGeL ist generisch (Produktgruppen und keine Produktnamen) geführt. Beim Bezug im Ausland stellt sich die Frage, an welcher Stelle die herausfordernde Zuweisung der MiGeL-Position zum jeweiligen Produkt vorgenommen wird. Weiter gilt es zu prüfen, ob die allfälligen Einsparungen bei den Produktpreisen höher ausfallen als die damit verbundenen Verwaltungskosten seitens Versicherer.
[1] Bericht des Bundesrates vom 1. September 2021 «Vergütung im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von privat im Ausland bezogenen Mitteln und Gegenständen.»
Swiss Medtech vertritt als Branchenverband der Schweizer Medizintechnik rund 800 Mitglieder. Mit 71’700 Beschäftigten und einem Beitrag von 11,9 Prozent zur positiven Handelsbilanz der Schweiz ist die Medizintechnik eine volkswirtschaftlich bedeutende Branche. Swiss Medtech tritt ein für ein Umfeld, in welchem die Medizintechnik Spitzenleistungen zugunsten einer erstklassigen medizinischen Versorgung erbringen kann.